Ute Gause, Foto: Paul Schulz, Pressestelle Bethel, 2019

  • Ute Gause, Foto: Paul Schulz, Pressestelle Bethel, 2019

Prof. Dr. Ute Gause

Lehrstuhl für Kirchengeschichte (Reformationsgeschichte & Neuere Kirchengeschichte)
Evangelisch-Theologische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
GA 8/150
Universitätsstr. 150
44780 Bochum
Tel.: +49-234-32-24797
Fax: +49-234-32-14665

 

Curriculum vitae

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Zur Person

Dr. theol. Ute Gause ist seit 2007 Professorin für Reformation und Neuere Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und war von 2015 – 2017 Dekanin der Evangelisch-Theologischen Fakultät.

Ihre Forschungsschwerpunkte sind die historisch-theologische Frauen- und Genderforschung seit der Reformation und speziell im Bereich der Diakonie des 20. Jahrhunderts. Zum methodischen Ansatz siehe: Ute Gause, Kirchengeschichte und Genderforschung. Eine Einführung in protestantischer Perspektive, Tübingen 2006.

Ute Gause ist Hauptherausgeberin der Reihe „Historisch-theologische Genderforschung“ und Mitherausgeberin der wissenschaftlichen Zeitschrift „Evangelische Theologie“. Sie ist Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth und Mitglied der Jury zur Verleihung des Hanna-Jursch-Preises der Ekd.


Forschungsschwerpunkt

Zum Forschungsansatz

In der Kirchengeschichte wird ein kompensatorischer Ansatz verfolgt, um die bislang zwar erforschte, aber in Überblicksdarstellungen kaum integrierte Mitarbeit von Frauen in Kirchen und Gemeinden im Sinne einer ergänzenden Frauengeschichtsforschung sichtbar zu machen. Zentral ist die Perspektive einer durch Genderforschung gestützten Kirchengeschichtsschreibung.

Hierbei werden Methoden und Perspektiven der neueren Kulturgeschichte sowie aus der Genderforschung das Konzept des Doing/Undoing Gender, der hegemonialen Männlichkeit, der Queer-Studies und der Intersektionalität reflektiert und integriert. Religiöse Konstruktionsprozesse von Geschlechterrollen, Sozialisations- und Erziehungsvorgänge und religiös konnotierte Hierarchisierungen werden ebenso in den Blick genommen wie spezifisch gegenderte Frömmigkeitsformen und religiöse Lebenswelten.

Ein besonderer Fokus liegt auf neueren methodischen Zugängen für die Kirchengeschichte. Neben die Oral History tritt derzeit die „Sound History“. Ein Forschungsprojekt zu aufgezeichneten Vorträgen der Evangelischen Stadtakademie Bochum in den 50er und 60er Jahren ist in Bearbeitung.

Forschungsschwerpunkte

Innerhalb der Kirchen- und Diakoniegeschichtsschreibung evangelischer Provenienz stellt die Kategorie Geschlecht bislang eine Leerstelle dar, obwohl seit mindestens 30 Jahren der Beitrag von Frauen an der Kirchen-, Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte aufgearbeitet wird. An dieser Aufarbeitung bin ich seit mittlerweile über zwanzig Jahren aktiv beteiligt.

Dabei habe ich zwei inhaltliche Schwerpunkte gesetzt:
Erstens geht es mir um die Sichtbarmachung theologisch arbeitender Frauen innerhalb der Kirchengeschichte, aber auch die Alltags- bzw. Frömmigkeitsgeschichte sollte Berücksichtigung finden. D.h. es wird untersucht, inwiefern sich theologische bzw. seelsorgerliche Impulse auf evangelische Frauen ausgewirkt haben.

Zweitens bemühe ich mich um eine Integration der (überwiegend durch weibliche Care-Arbeit geprägten) Diakoniegeschichte in die Kirchengeschichte, bei der Diakonissen als Individuen wie als Gestalterinnen von Care-Arbeit sichtbar werden sollen. Die Prägekraft, die Kranken- und Gemeindeschwestern als Multiplikatorinnen christlichen Glaubens in der Gesellschaft hinein entfaltet haben, stellen einen wesentlichen Teil der evangelischen Christentumsgeschichte dar, der bislang weitgehend unerforscht geblieben ist.

Ad 1)
Beginnend mit einem Aufsatz zur Frage „Geschlecht als historische Kategorie. Was leistet eine feministische Perspektive für die Kirchengeschichte“ (1996), habe ich in den folgenden Jahren Schwerpunkte in der Sichtbarmachung theologisch arbeitender Frauen und der Frage, wie sich die Reformation auf ihren Alltag und auf die Seelsorge auswirkten, geforscht. Zudem kam es zu einer neuen Normierung sowohl von Männer- wie Frauenrollen durch die Reformation. Dazu zählen die Auswirkungen der sog. „Priesterehe“ sowohl auf Männlichkeitskonstruktionen - „Reformation und Körperlichkeit am Beispiel von Luthers Genesisvorlesung“ (2018); „Durchsetzung neuer Männlichkeit?: Ehe und Reformation“ (2013); „Reformation, geschlechtergeschichtlich“ (2010) - wie auch auf normative Leitbilder (Ehe und Familie im Geist des Luthertums, Leipzig 2012; „Geschlechterkonstruktionen in der Reformation: Wandel - Konstanz - Interdependenzen“ (2019)). Ein neuartiger Topos der Reformationszeit war zudem die Seelsorge an schwangeren und gebärenden Frauen, die wohl genuin mit der Preisgabe des zölibatären Ideals zusammenhing und hier Einfluss auf eine verbesserte auch seelsorgerliche Betreuung von Gebärenden durch Hebammen hatte - deren Ausbildung einen eigenen Passus in den reformatorischen Kirchenordnungen erhielt und deren seelsorgerlichen Aufgaben auch in die städtischen Hebammenordnungen aufgenommen wurden („Johannes Bugenhagens Seel- und Fürsorge für schwangere und gebärende Frauen“ (2010)).
Forschungen zu „Laientheologinnen“ machen den Anteil protestantischer Frauen an der Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte deutlich, die im jeweiligen Jahrhundert durchaus Prägekraft erreichen, z.B. durch Gesangbuchlieder, Passionsschriften oder Gebetbücher (vgl. Passionsfrömmigkeit als Bekenntnis: die junge Henriette Cathrine Freiin von Friesen (2015); Henriette Katharina von Gersdorf, in VL 17 (2021)). Theologinnen wie die erste promovierte Kirchenhistorikerin Maria Heinsius (2005), die Begründerin der Friedenshortdiakonissen Eva von Tiele-Winckler (2013), oder die Frau Gustav Heinemanns Hilda Heinemann, geb. Ordemann (2009), deren Beitrag zum Protestantismus häufig nicht sichtbar ist, wurden von mir untersucht.
In meiner Monographie „Kirchengeschichte und Genderforschung“ (2006) habe ich neben einer Forschungsübersicht und einer Auswahlbibliographie - um die bisher schon geleistete umfangreiche Forschung zugänglich zu machen - exemplarisch gezeigt, wie ein gendersensibilisierter Blick neue Felder der Kirchengeschichte eröffnet.

Ad 2)
Zum anderen bemühe ich mich um eine Sichtbarmachung und Integration der Diakoniegeschichte in die Kirchengeschichte, bei der diejenigen, die die Care-Arbeit der Institutionen der Inneren Mission respektive Diakonie getragen haben - die Diakonissen - sowohl in ihren Arbeitsfeldern wie in ihrer evangelischen Identität innerhalb einer Frauengemeinschaft wahrgenommen werden sollen. (Vgl. Ute Gause/Cordula Lissner (Hgg.), Kosmos Diakonissenmutterhaus, Leipzig 2005; Ute Gause, Töchter Sareptas. Diakonissen zwischen Selbstverleugnung und Selbstbehauptung, Leipzig 2019).
Hierbei steht neben einer biographischen Aufarbeitung im Vordergrund, die wirtschaftlichen und zugleich geistlichen Kompetenzen, mit der sich Diakonissen Arbeitsfelder zu eigen gemacht und sie selbständig ausgestaltet haben, aufzuzeigen. Für die „Ökonomie“ einer Diakonissenanstalt verantwortlich zu sein, wie dies exemplarisch an Emilie Heuser, der ersten Vorsteherin der Diakonissenanstalt Sarepta in Bethel-Bielefeld deutlich wird (in: Gause, Töchter Sarpetas, 2019, 41-140), umfasste umfangreiche Kompetenzen, wie die Organisation der Arbeit – Diakonissen mussten in ihre Arbeitsfelder ausgesandt und betreut sowie weitergebildet werden – und die wirtschaftliche Koordination der Anstalt – das umfasste im 19. Jahrhundert die Produktion von Nahrungsmitteln (Brot, Gemüse, Obst, auch für die in Bethel ansässigen zu Betreuenden), aber auch von Kleidung und Wäsche (Krankenwäsche musste gekocht und gebleicht, Kleidung produziert und gepflegt werden). Geistliche und auch medizinische Kompetenzen waren gefragt im Hinblick auf die hohe Sterblichkeit sowohl der zu betreuenden Kranken wie auch der Diakonissen selbst, die wenn sie krank waren im sog. Mutterhaus, dem Mittelpunkt einer Diakonissenanstalt, gepflegt wurden. Der normale Alltag der Gemeindeschwester spiegelt sich dann in der Fallstudie zu einer Düsseldorfer Gemeindeschwester im 19. Jahrhundert (Gemeindeschwester Olga G., in: Pietismus und Neuzeit 36 (2010), 251-262.

Darüber hinaus habe ich nach der eigenständigen weiblichen Erinnerungskultur in Diakonissenhäusern (Kaiserswerth als Erinnerungsort der Frauendiakonie, in: Kirchliche Zeitgeschichte 18/1 (2005), 158-181), aber auch nach den normativen Frauenleitbildern innerhalb der Diakonie gefragt („Die Ordnung der Geschlechter: Männer und Frauen in der Diakonie“ (2014), „Das Diakonissenbild Wilhelm Löhes“ (2008)). Für den Protestantismus kann man im Hinblick auf das 19. Jahrhundert wohl von einer „Feminisierung des Religiösen“, im Sinne eines Aufbruchs der Frauen in die Öffentlichkeit sprechen („Frauen und Frömmigkeit im 19. Jahrhundert – der Aufbruch in die Öffentlichkeit“, in Pietismus und Neuzeit (1998), 309-327). Mit den normierenden Weiblichkeitskonstruktionen innerhalb der Diakonie habe ich mich ebenfalls auseinandergesetzt (vgl. „Dienst und Demut: Diakoniegeschichte als Geschichte christlicher Frauenleitbilder“ (2003), „,Frauen entdecken ihren Auftrag‘ – neue Erträge diakonischer Frauenforschung“ (2001), „Die Ordnung der Geschlechter – Frauen und Männer in der Diakonie“ (2014).

Mir ist die Problematik bewusst, dass mit einer Konzentration auf „Frauengeschichte“ die Gefahr einer Reifizierung von Geschlecht besteht, in dem Sinne, dass ein So-Sein der Geschlechter festgeschrieben und so wiederum einem essentialistischen Frauenbild aufgesessen wird. Insofern aber als mit der Rekonstruktion von den Lebenswelten protestantischer Frauen sehr deutlich die gesellschaftlich und kirchlich geprägten Rollenverständnisse aufgezeigt werden, wird die Wandelbarkeit und Fluktuation solcher Rollenbilder offenkundig – dass beispielsweise das Berufsmodell „Diakonisse“ im 20. Jahrhundert obsolet wird, zeigt, dass sich Rollenbilder wandeln und eben nicht statisch festgeschrieben sind. Zudem zeigt die Aufarbeitung, dass „Frauen“ – selbst wenn sie in Rollenbilder gezwängt wurden (wie dass des unermüdlichen Dienstes für den Nächsten) – trotzdem (subversive) Strategien entwickeln konnten, um Rollenbilder zu unterlaufen (vgl. Gause/Bauer, Judith Butler und die protestantische Kirchengeschichte, 2020).

Die heterosexuelle Matrix, die durch ihr Aufsuchen in der Vergangenheit wiederum instantiiert wird, und damit erneut Binarität konstruiert, macht dennoch – je mehr Lebensbereiche einbezogen werden – sichtbar, dass selbst wenn „Frauen“ als das „Andere“ zur Subjektposition „Mann“ erscheinen, in ihren sozialen und gesellschaftlichen Vollzügen differieren und somit die „Illusion einer gemeinsamen Weiblichkeit“ unterlaufen (vgl. Gause/Bauer, 284). Am Transzendenzbezug und den egalisierenden Elementen der Christentumspraxis [Taufe und Abendmahl als Sakrament für beide/alle Geschlechter, sog. Priestertum aller Gläubigen/aller Getauften, Aufhebung von Ethnie, Geschlecht und Klasse durch das Einswerden mit Christus (Gal. 3,28)], zeigt sich immerhin als Vision, dass eine „Entgenderung“ der Geschlechter im Christentum gedacht werden konnte.


Publikationsliste

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Sprechstunde

Mi 12.00 - 13.00 Uhr in GA 8/150
(ab 18.10.2023)


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In dringenden Angelegenheiten: ute.gause@ruhr-uni-bochum.de