JUGENDTHEOLOGIE IN KIRCHLICHER UND SCHULISCHER ALLTAGSPRAXIS

EINE REKONSTRUKTIVE STUDIE ZUM VERHÄLTNIS VON JUGENDTHEOLOGISCHEN NORMEN UND DER NORMATIVITÄT UNTERRICHTLICHER PRAXIS

Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2020-2023)


Das Forschungsvorhaben führt das abgeschlossene DFG-Forschungsprojekt „Kindertheologie und schulische Alltagspraxis“ (2015-2017) im Bereich der Jugendtheologie fort. Neben dem schulischen Bereich (7./8. Klassen an Gymnasien und Gesamtschulen) rekonstruiert das Projekt erstmals Praktiken der Konfirmandenarbeit. Neben Gesprächen im Plenum werden auch Gruppenarbeitsphasen beobachtet. Wie das Vorgängerprojekt auch fragt dieses Forschungsvorhaben nach dem Verhältnis von jugendtheologischen Normen einerseits und der Normativität (Regelhaftigkeit) unterrichtlicher Praxis im schulischen Religions- sowie im kirchlichen Konfirmandenunterricht andererseits. Es untersucht, auf welche Alltagspraxis jugendtheologisch inspirierte Erwartungen treffen und ermöglicht so differenziertere Aussagen darüber, an welchen Stellen unterrichtliche Alltagspraxis jugendtheologisch affin ist und wo sich Diskrepanzen auftun, die eine Implementierung des Leitbildes erschweren. Das Projekt stellt so Reflexionswissen bereit, das für die Frage der Praxistauglichkeit und für Überlegungen zur Professionalisierung von Lehrkräften im kirchlichen und schulischen Unterricht hilfreich sein kann.

Im Fokus des Forschungsprojekts steht nicht die Outcome-orientierte Frage, inwiefern Jugendtheologie den Aufbau nachhaltiger Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern (SuS) fördert, sondern die davon zu unterscheidende prozessorientierte Frage nach ihrer Unterrichtstauglichkeit im kirchlichen und im schulischen Alltags-Kontext: Wie ist es um die (fehlende) Passung zwischen religionsdidaktischen Normen der Jugendtheologie und der Normativität der unterrichtlichen Praktiken im kirchlichen und schulischen Alltag bestellt?

Die Frage der Unterrichtstauglichkeit von KJT ist bisher konzeptionell nur in Ansätzen bedacht, obwohl sie sich aufdrängt: Wie kann bzw. sollen Konfirmandenunterricht (KU) und schulischer Religionsunterricht (RU) mit der schwer zu antizipierenden Fülle jugendlicher Deutungen umgehen, ohne als „Laberfach“ abgestempelt zu werden? Wie kann bzw. soll der halb-öffentliche Raum des KU und RU auf die gesteigerte Wahrnehmung der eigenen Subjektivität bei Jugendlichen, die aber zugleich zunehmend schambesetzt ist, reagieren? Durch verstärkte Subjektorientierung oder im Gegenteil durch deren Abblendung? Jugendtheologie bekommt diese Fragen bisher nur schwer in den Blick, weil sie sich zwar im Hinblick auf ihre Voraussetzungen deutlich von der Kindertheologie abgrenzt (insofern Kinder sich von Jugendlichen unterscheiden), kaum aber im Hinblick auf ihre Normen und Zielsetzungen im kirchlichen und schulischen Kontext.

Um die Normativität unterrichtlicher Praxis zu rekonstruieren, betrachten wir Unterricht nicht als ein bekanntes Feld, das es zu bewerten und zu optimieren gilt, sondern als ein unbekanntes Feld, das es zu erkunden gilt. Das so gewonnene Reflexionswissen kann dann durchaus eine Basis für normative Überlegungen darstellen, es ist aber nicht 1:1 in orientierendes Handlungswissen übertragbar.

Das Projekt setzt Jugendtheologie als ein religionspädagogisches Leitbild für „gutes pädagogisches Handeln“ und beobachtet RU und KU daraufhin, wie viel Jugendtheologie in ihnen „steckt“ (religionsdidaktische Perspektive). Es befragt die Unterrichtsszenen auch daraufhin, welche Normen in ihnen prozessieren (praxistheoretische Perspektive). Anschließend setzt das Projekt die jugendtheologischen zu den in der Praxis prozessierten Normen ins Verhältnis und fragt so nach der „Unterrichtstauglichkeit“ des jugendtheologischen Leitbildes. Das normative Leitbild und die Normativität der Praxis treten in einen dialogischen Prozess. Das Forschungsvorhaben stellt Lehrkräften und PfarrerInnen damit eine differenzierte Grundlage zur Verfügung, die es ihnen erlaubt, die eigene subjektive Theorie im Blick auf jugendtheologische Ansprüche zu reflektieren.